Der Bahntransport von Baustahlmatten 1960–1975
Logistik, Ladepraxis und Fahrzeugeinsatz im Güterverkehr der Nachkriegszeit
Baustahlmatten – meist verschweißte Gitter aus Betonstahl – waren bereits seit den 1930er-Jahren im Einsatz, erreichten jedoch in den 1960er-Jahren industrielle Standardisierung. Typische Maße betrugen 6,0 × 2,3 Meter mit Maschenweiten von 100–200 mm. Durch ihre Größe, das relativ geringe Eigengewicht pro Fläche und die scharfkantige Oberflächenstruktur stellten sie besondere Herausforderungen für Transport, Verladung und Sicherung dar.

Wirtschaftswunder auf Schienen
Zwischen 1960 und 1975 erlebte die deutsche Bauwirtschaft eine Phase intensiver Aktivität. Der Wiederaufbau war weitgehend abgeschlossen, stattdessen dominierte nun der Neu- und Infrastrukturausbau – Wohnsiedlungen, Autobahnen, Industrieanlagen. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Booms war die zunehmende Verwendung von Beton – und damit der steigende Bedarf an Baustahlmatten, die als Bewehrung in fast jedem Fundament, jeder Bodenplatte und Wand zum Einsatz kamen. Die Deutsche Bundesbahn (DB) übernahm dabei einen erheblichen Anteil am überregionalen Transport dieser sperrigen Güter.
Verladetechniken und Ladeplätze
Baustahlmatten wurden sowohl in Paketen gestapelt als auch einzeln befördert – abhängig von der Bestellmenge und Transportdistanz. Üblich waren Pakete mit 10 bis 50 Matten, die mit Stahlband oder Drahtseil verschnürt wurden. Für den Bahnversand nutzte man überwiegend offene Güterwagen mit seitlicher Beladungsmöglichkeit.
Beladungspraxis:
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Seitliche Beladung per Kran oder Gabelstapler war Standard. Viele Güterbahnhöfe verfügten über Portalkräne oder Gleiswaagen mit Kränen.
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Händische Be- oder Entladung war bei kleinen Mengen noch üblich – insbesondere im ländlichen Raum oder bei Bahnhöfen ohne mechanische Hebemittel.
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Entladung über Rampe oder Bockkran erfolgte meist an Anschlussgleisen von Bauunternehmen oder Großbaustellen (z. B. beim Autobahnbau).
Da sich Mattenpakete aufgrund ihrer Form nur schwer stapeln ließen und leicht zum „Rutschen“ neigten, musste eine sorgfältige Ladungssicherung erfolgen. Man verwendete Keile, Spannbänder, Holzbohlen und später auch Stahlrohrgerüste, um ein Verschieben während der Fahrt zu verhindern.
Verwendete Wagenbauarten
Für den Transport von Baustahlmatten kamen in erster Linie offene Wagen mit niederem Bordwandaufbau zum Einsatz:
Rungenwagen (Kbs, Kls)
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Ideal für Langgut, auch bei gemischten Baustahltransporten (Matten + Stabstahl)
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Ladelänge: ca. 12–14 Meter
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Oft mit seitlichen Rungen und Stirnborden versehen
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Matten wurden quer oder schräg zur Wagenachse verladen
Offene Güterwagen mit niedrigen Bordwänden (Omm, später Eaos)
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Bei hohem Ladevolumen, besonders bei großflächigen Mattenpaketen
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Bei Bedarf mit Planen gegen Korrosion abgedeckt
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Beladung meist mit Greifern oder Staplern von oben
Flachwagen (Sammelwagen bei Werksanschlüssen)
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Weniger verbreitet, aber im innerbetrieblichen Werksverkehr – z. B. zwischen Stahlverarbeitungsbetrieb und Bauzulieferer – eine praktikable Lösung
Besondere Regelungen galten für den Transport von scharfkantigen Gütern: Zur Vermeidung von Beschädigungen an Ladeflächen wurden Holzauflagen vorgeschrieben.
Typische Transportrelationen
In den 1960er- und 70er-Jahren wurden Baustahlmatten meist zentral gefertigt und per Bahn an regionale Großhändler oder direkt an Baustellen geliefert. Typische Relationen:
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Ruhrgebiet → Großraum Frankfurt / Rhein-Main
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Saarland → Süddeutschland
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Ostwestfalen → Berlin, Norddeutschland
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Bremen/Hamburg → Küstenbaustellen (z. B. Deichbau, Hafenanlagen)
Dabei wurde der Bahntransport oft in den Stückgutverkehr integriert, sofern es sich um kleinere Mengen handelte. Für Großprojekte wurden ganze Wagengruppen oder Übergabefahrten im Rahmen von Einzelwagenladungsverkehren organisiert.
Organisation und Logistik
Der Versand erfolgte über Frachtbriefe, wobei der Empfänger entweder ein Lagerhalter, ein Bauunternehmen oder ein Zwischenhändler war. Der Transport erfolgte üblicherweise im Einzelwagenverkehr mit Kuppelstellen in Bahnhöfen mit Krananlagen. Der Weitertransport auf der Straße erfolgte per Tieflader, häufig mit Auflegern für Flachgut.
Die Bundesbahn bot ab den späten 1960er-Jahren auch Verbundlogistiklösungen an, bei denen mehrere Materialgruppen (z. B. Zement, Kies, Stahl) im Systemverkehr zur Baustelle koordiniert geliefert wurden.
Probleme und Entwicklungen
Trotz vieler Vorteile – insbesondere im Ferntransport – verlor der Bahntransport von Baustahlmatten ab Mitte der 1970er-Jahre zunehmend an Bedeutung. Gründe:
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Zunahme flexibler Lkw-Verkehre
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Fehlende Hebeeinrichtungen an kleinen Ladegleisen
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Kosten durch Umschlag und Rückführung von Leergut
Zudem änderten sich die Bauverfahren: Vor Ort gebogener Stahl, kürzere Mattenformate und zunehmend dezentralisierte Produktion machten Bahntransporte weniger wirtschaftlich.
Fazit
In der Hochphase des industriellen Bauens war der Bahntransport von Baustahlmatten ein fester Bestandteil der Logistikkette. Insbesondere im Großbaustellenkontext und für weite Strecken zeigte sich die Bahn als effizientes Verkehrsmittel. Mit wachsender Motorisierung, kleineren Bauprojekten und logistischen Flexibilitätsanforderungen verlagerte sich der Transport jedoch zunehmend auf die Straße.
Quellen und weiterführende Literatur (Auswahl)
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Deutsche Bundesbahn (Hrsg.): „Taschenbuch für den Güterverkehr“, Ausgabe 1968
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DIN 488 (Fassung von 1965): „Betonstahl und Betonstahlmatten“
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Technisches Jahrbuch der DB, diverse Ausgaben 1960–1975